Unser Einsatz gegen das Corona…

2. April 2020


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In Syrien werden die Menschen gleich mehrfach bedroht: Der jahrelange Krieg hat das Gesundheitssystem geschwächt, über 80 Krankenhäuser mussten allein in der Region Idlib schließen. Innerhalb weniger Monate wurde fast eine Million Menschen vertrieben. Die Coronavirus-Pandemie macht jedoch vor den ohnehin schon schutzbedürftigen Menschen nicht Halt. In Syrien wurde bisher eine mit dem Coronavirus infizierte Person bestätigt. Im Nordwesten Syriens treffen wir daher umfassende Vorbereitungen, um bei einer Ausbreitung des Coronavirus bestmöglich reagieren zu können:

In den Krankenhäusern und mobilen Kliniken in den Geflüchtetenlagern, in denen wir aktiv sind, verbessern wir unser “Triage-System”. Dabei werden medizinische Notfall-Patient*innen und weniger stark erkrankte Menschen nach der Dringlichkeit ihrer Behandlung unterteilt. Damit machen wir eine schnelle Aufnahme von Patient*innen möglich. Zudem können wir auf diese Weise frühzeitig potentiell an COVID-19 erkrankte Menschen von anderen isolieren. Besondere Hygiene, eine Ausrüstung mit Schutzanzügen und andere Schutzmaßnahmen bewahren unser Personal vor einer Infektion. Darüber hinaus achten wir auf die Einhaltung des Sicherheitsabstandes, beispielsweise bei wartenden Patient*innen vor unseren mobilen Kliniken. Diese Maßnahmen treffen wir, um unsere medizinische Versorgung und die Lieferung von Materialien zu gewährleisten. In Abstimmung mit den lokalen Gesundheitsbehörden und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) führen wir in der Region Idlib und in Azaz im Al Salama Krankenhaus Trainings zum Umgang mit an COVID-19 Erkrankten für medizinisches Personal durch. Zudem versuchen wir, das Testen von Infektionen mit dem Coronavirus und die Transportwege in die Labore zu erleichtern. In den Geflüchtetenlagern kümmern wir uns weiterhin um eine stete Wasserversorgung und mobile Stationen zum Händewaschen.

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Menschen in Idlib müssen besonders vor Coronavirus-Pandemie geschützt werden

Unser Einsatzkoordinator Cristian Reynders gibt einen Überblick über seine Erfahrungen aus der Region Idlib:

„Es ist noch nicht lange her, da bestimmten andere Themen die Nachrichten, als COVID-19. Einige betrafen die humanitäre Situation in der Provinz Idlib im Nordwesten Syriens. In industrialisierten Ländern wie Italien, Spanien und den USA sehen wir, dass öffentliche Krankenhäuser wegen der Verbreitung von COVID-19 am Rande des Zusammenbruchs stehen. Wie wird also das Gesundheitssystem der Region Idlib damit zurechtkommen? Das Gesundheitswesen stieß bereits vor der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus an seine Grenzen.
Auch wenn sich COVID-19 im Nordwesten Syriens noch nicht verbreitet hat, stehen die Menschen bereits jetzt vor einer Reihe unbeantworteter Fragen und unmöglicher Entscheidungen. Tatsächlich können die meisten Empfehlungen zum Schutz der Menschen vor dem Coronavirus in Idlib einfach nicht umgesetzt werden.

Wie kann man Menschen bitten, zu Hause zu bleiben, um eine Infektion zu vermeiden? Wo ist überhaupt ihr Zuhause? Wir sprechen von fast einer Million Vertriebener – mindestens ein Drittel der Gesamtbevölkerung von Idlib – wovon die meisten in Zelten in Geflüchtetenlagern leben. Sie haben kein Zuhause mehr. Wenn eine Person Symptome von COVID-19 zeigt, wird sie gebeten, sich selbst zu isolieren. Wo ist der Platz dafür in Idlib? Viele Familien müssen ihre Zelte mit anderen Familien teilen.

Die Menschen werden auch dazu aufgefordert, Hygienemaßnahmen zu ergreifen und sich häufig die Hände zu waschen. Aber wie kann man sich hygienisch verhalten, wenn man inmitten von Dreck lebt?

Wenn man ernsthafte Symptome entwickelt, soll man in ein Krankenhaus gehen. Aber wenn nur eine Handvoll Krankenhäuser geöffnet sind und diese Krankenhäuser bereits überlastet und für eine Pandemie völlig unvorbereitet sind, wo sollen die Menschen dann hingehen?

Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus in Nordwest-Syrien

Bei der Vorbereitung auf eine mögliche Verbreitung von COVID-19 im Nordwesten Syriens stehen auch die Mediziner*innen vor schwierigen Entscheidungen. Sie müssen ständig Prioritäten setzen: Wie sollen sie beispielsweise mit all den Patient*innen umgehen, die behandelt werden wollen? Das medizinische Personal in Idlib tut mit seinen wenigen verfügbaren Mitteln sein Bestes. Ich werde mich mein Leben lang an die Widerstandsfähigkeit und das Engagement des Personals unter diesen extremen Bedingungen erinnern.

Auch humanitäre Organisationen müssen unter diesen Umständen unmögliche Entscheidungen treffen. Welche Maßnahmen sollen wir ergreifen, um eine mögliche Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern? Sollen wir unsere Arbeit in den Camps einstellen, um zu verhindern, dass sich Menschen vor unseren mobilen Kliniken oder bei der Verteilung von lebenswichtigen Hilfsmitteln versammeln? Würden wir die Menschen so schützen oder ihre Gesundheit gefährden, indem wir ihnen die einzig verfügbare medizinische Versorgung entziehen? Mit dieser Art von Dilemmata sind die Menschen in unseren Einsätzen ständig konfrontiert.

Die Entscheidung, die wir getroffen haben, ist weiterzumachen. Denn wir wissen, dass unsere Hilfe für Zehntausende von Menschen in ganz Idlib lebenswichtig ist. Beispielsweise leiden mehr als 35 Prozent der Patient*innen, die wir in unseren mobilen Kliniken behandeln, bereits an Atemwegsinfektionen. Eine Infektion mit dem Coronavirus kann somit schnell zu Komplikationen führen. Wir werden also nicht aufhören zu helfen. Doch im Angesicht der Coronavirus-Pandemie müssen auch wir unsere Aktivitäten anpassen und verantwortungsvoll handeln.

Nur Solidarität und Zusammenhalt werden im Kampf gegen das Coronavirus in Syrien helfen

Wir setzen alles in Bewegung, was möglich ist, doch bei einer Ausbreitung von COVID-19 wird das wahrscheinlich nicht ausreichen. Die Lage im Nordwesten Syriens ist bereits eine humanitäre Notlage. Eine zusätzliche öffentliche Gesundheitskrise könnte schnell katastrophal enden. Es sei denn…

…es sei denn, es gibt eine sofortige internationale Mobilisierung. Es sei denn, es werden den Ärzt*innen und humanitären Organisationen die Mittel zur Verfügung gestellt, die sie benötigen, um diese potentielle Katastrophe richtig anzugehen, bevor sie sich ereignet. Es sei denn, die Krankenhäuser erhalten die notwendigen Vorräte und Schutzausrüstungen, um dieser zusätzlichen Krise entgegentreten zu können.

Doch die Antwort auf diese Situation kann nicht nur eine medizinische sein. Die Gesundheitsversorgung ist natürlich besonders wichtig. Aber die Menschen in der Region Idlib brauchen auch immer noch Nahrungsmittel, Unterkünfte und sanitäre Anlagen. Wenn man einer Pandemie gegenübersteht, sind all diese Dinge von entscheidender Bedeutung.

COVID-19 betrifft jeden Menschen auf dieser Welt. Ob die Menschen in Syrien oder in Italien leben, sie sind alle miteinander verbunden. Dieser Virus betrifft jeden, unabhängig von seiner Nationalität oder Hautfarbe. Und genau so wie dieses Virus keine Grenzen kennt, so hoffe ich, dass auch die Solidarität keine Grenzen kennt.”

Mehr Informationen zu unserem Einsatz gegen das Coronavirus – auch in anderen Ländern.



Ärzte ohne Grenzen