Deutsche Inseln müss…
Wegen Virus: Deutsche Inseln müssen Touristen rausschmeißen: „Bitte schicken Sie mich nicht weg“
Es ist eine schwere Ansage, die Hoteliers und Appartmentvermieter auf den Inseln ihren Gästen mitteilen müssen. Der Urlaub muss in Zeiten des Coronavirus abgebrochen werden. Trotz Verständnis für die Situation fließen auch schon mal Tränen.
Till Jaich fiel es nicht leicht, diese Nachricht zu übermitteln: „Ihr müsst nach Hause“. Jaich ist Geschäftsführer von „Im-Jaich Wasserwelten“ in Lauterbach auf Rügen. Seit Montag hat er einige Momente erlebt, die ihm unter die Haut gingen. Rund 120 Gästen musste er sagen, dass sie ihren Urlaub abbrechen müssen.
Das ist die Folge der Entscheidung der drei Landesregierungen in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, für eine langsamere Ausbreitung der Coronaviren die deutschen Inseln abzusperren und die Urlauber nach Hause zu schicken. Eine Situation, die Jaich als „brutal für alle“ bezeichnet.
„Wir hatten Gäste im Büro, die geweint haben“
„Viele haben das nicht verstanden“, sagt Jaich, der gerade in der Vorsaison viele Langzeitgäste in seinen teils schwimmenden Ferienhäusern beherbergt. Er zitiert eine der Reaktionen: „Ich bin schon 14 Tage hier. Ich bin nicht infiziert. Sie schicken mich jetzt zurück nach Nordrhein-Westfalen ins Krisengebiet. Bitte schicken Sie mich nicht weg.“ So etwas geht dem Hotelmanager ins Mark: „Wir hatten Szenen mit Gästen im Büro, die geweint haben.“
So wie den Gästen von Jaich geht es seit Montag vielen Tausend Urlaubern auf den Nord- und Ostseeinseln. Sie müssen ihren langfristig oder spontan gebuchten Urlaub abbrechen. Manchmal schon, bevor er richtig begonnen hat.
„Gestern Abend traf ich weinende Gäste, die am Vortag angereist waren, um ihren 70. Geburtstag am nächsten Wochenende zu feiern“, schreibt Ingbert Liebing auf seiner Facebook-Seite. „Heute reisen sie wieder ab. Aber sie haben die Entscheidung verstanden.“ Liebing lebt seit vielen Jahren in Morsum auf Sylt und war Bevollmächtigter des Landes Schleswig-Holsteins beim Bund, bevor er am 10. März zum Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen gewählt wurde.
„Das macht keinen Sinn mehr“
Die Fähren von den nord- und ostfriesischen Inseln waren am Montag und Dienstag voll. Zum Teil gab es Sonderfahrten. Auch die Autozüge von Sylt nach Niebüll waren gut gefüllt. Sylt oder Föhr zeigten am grauen Dienstagnachmittag nur vereinzelt Spaziergänger am Strand. Eine Webcam hält den Kurplatz auf Norderney fest, beim Flanieren oder Kaffee trinken sieht man dort niemanden.
„Ria’s Beach Café“ auf Borkum war am Vortag noch voll, wie Barkeeper Patrick Vogten erzählt. Am Dienstagnachmittag seien von 150 Plätzen nur noch maximal 20 besetzt. „Der Strand ist auch menschenleer, ich sehe da nur noch zwei, drei Leute“, so Vogten. „Das macht irgendwann keinen Sinn mehr.“
Bei einer Personalbesprechung am Montag gab es im Café entsprechend schlechte Nachrichten: „Erstmal keine Verträge. Das heißt für manche weiter Kurzarbeit, für andere Arbeitslosigkeit. Am 15. März ist normalerweise Einstellungsbeginn für die Saison“, erklärt der Barkeeper. „Die Stimmung ist gedrückt. Man weiß nicht, was morgen ist.“
Die Nordseeklinik ist nicht auf Corona ausgelegt
Auch Jens Lund berichtet von nur noch vereinzelten Gästen. Die Familie Lund betreibt seit Jahrzehnten eine Bäckerei-Konditorei und ein Café-Restaurant in Hörnum auf Sylt. Anders sah es noch vor wenigen Tagen aus. „Am Wochenende haben wir eine kleine Mini-Saison gehabt“, sagt Lund.
Die Ansage, die Inseln für Urlauber zu schließen, hält der Gastronom trotz der wirtschaftlichen Folgen für richtig. Er findet es eher ignorant, wie sich manche Menschen auf den Weg nach Sylt gemacht hätten, ohne die möglichen Konsequenzen für die Insel zu bedenken. „Die Nordseeklinik ist eine gute Klinik“, sagt Lund – aber eben nicht darauf ausgelegt.
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„Nur jetzt wird es ein bisschen trauriger“
Die medizinische Versorgung auch in der aktuell kritischen Lage für die Inselbewohner sichern zu müssen, war Grund für die Entscheidung, die Inseln abzuriegeln. Die Kapazitäten der Intensivmedizin auf den Inseln seien nicht für eine große Anzahl an Touristen ausgelegt, sagt etwa Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP).
Die meisten Urlauber hatten trotz der Enttäuschung auch Verständnis für die Situation. Tausende Urlauber verließen am Montag direkt nach der Ankündigung der Urlaubersperre die Inseln. Rund 3500 Menschen nahmen nach Angaben der Reederei Norden-Frisia Fähren allein von Norderney und Juist ans Festland.
Neue Gäste dürfen nicht mehr auf die Inseln in Nord- und Ostsee. Zum Teil kontrolliert die Polizei, ob sich alle an die Maßnahme halten. Im Frühling werden die Inseln nun ähnlich leer sein wie in den Wintermonaten. „Nur jetzt wird es ein bisschen trauriger“, sagt Langeoogs Bürgermeisterin Heike Horn (parteilos).
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flr/dpa